>> Kick&Rush <<
Route:
Grossetto – Passo Mortirolo – Monno – Ponte di Legno – Tonale – Passo del Tonale – Dimaro – Madonna di Campiglio
Streckenlänge und Höhenmeter: 100 km, 3.411 Hm
Motto des Tages: „Kick&Rush“
Hatten wir schon über italienisches Frühstück gesprochen? Gut, denn das Frühstück heute ist – bis auf die
Bedienung vielleicht – nicht weiter erwähnenswert. Sehr wohl erwähnenswert ist dagegen unsere heutige Etappe. Sie ist die Längste und weil 3.400 Höhenmetern bevorstehen, hatte Bruno gestern nicht zu Unrecht von „Buße“
gesprochen.
Also packen wir früh unser Zeug und radeln hinüber zum Einstieg des sagen-umwobenen Passo Mortirolo. Viele,
die von der Nordseite her hinaufradeln, neigen bei der Beschreibung dieses Anstieges aus unerfindlichen Gründen immer ein wenig zur Untertreibung. Deshalb zitiere ich an dieser Stelle eine neutrale Produkt-beschreibung, die
unsere Route in unaufgeregten Worten skizziert:
„Tacx Real Life DVD Giro del Mortirolo – Italy. ... durch Grosetto, überqueren
den Fluss, und biegen links ab, um das schwerste Teilstück aus der gesamten Tacx Real Life Video Kollektion unter die Räder zu nehmen.
Auf einem unglaublich steilen Sträßchen fahren Sie ca. 1.250hm durch dicht begrünten Wald, der Ihnen meist auch die Aussicht verwehrt. Bei dauerhaften
Steigungsprozenten von durchschnittlich 14% mit unzähligen steilen Rampen bis zu 23% ist dieser Anstieg selbst für starke Rennfahrer s
owohl physisch als auch mental sehr schwer. Nach diesem Abschnitt, der nicht zu enden scheint,
gelangen Sie in weniger dicht bewachsenes Gelände, die Passhöhe ist nun beinahe in greifbarer Nähe. Um Ihren Leidensweg zu
dokumentieren, erscheinen "Infoboxen", die Ihnen anzeigen, wie sehr der Anstieg Sie fordert. (Die "Infoboxen" können auch ausgeschaltet werden, außerdem ist es möglich die
Steigungsprozente des Anstieges manuell zu verändern).“
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Eines weiß ich ganz genau: Wäre bei mir eine dieser „Infoboxen“ erschienen und würden die Farben grün-gelb-rot den Leidenszustand des
Fahrers anzeigen, meine „Infobox“ wäre dunkelrot bis sauerstofflos blau eingefärbt gewesen.
Bruno geht es heute wohl auch besonders „schlecht“, denn er will den Pass möglichst schnell hinter sich bringen. Zu diesem Zweck entert er
ein heran nahendes Vehikel, hängt sich dort ein und lässt sich ein Stück weit mit hinauf ziehen. Dem Bruno gefällt das sichtlich und er ruft
uns enteilend ein freudiges „He he he“ zu. Dem alten Bauern, der dieses Gefährt steuert, findet das aber nicht so lustig und lenkt sein Töff
-Töff bald nach rechts Richtung felsbewehrtem Hang, um Bruno auf diese Art abzuschütteln. Schließlich gewinnt Bruno später sogar die
Bergwertung. Wer ihm bei der Passankunft auf den Plätzen folgt, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur noch, dass alle schon sehr ausgeruht wirken, als auch ich endlich oben ankomme...
Die Abfahrt vom Pass nach Monno ist – im positiven Sinne – halsbrecherisch und wir haben Spaß daran, auf dem recht schmalen und
teilweise steilen Asphaltband mit unseren Bikes schneller als Autos und Motorräder nach unten düsen zu können. Ab Monno heißt es dann,
sich stromlinienförmig in das Montagsradler Sechser-Gruppetto einzureihen, den Gang stehen zu lassen und – nach einer kleinen Brotzeit in Incudine – bis Ponte di Legno schön abwechselnd und gleichmäßig durch zu drücken.
Die nun anstehende Auffahrt zum Passo del Tonale könnten wir selbstverständlich auch noch locker wegdrücken. Doch sind alle ganz froh
darüber, dass unsere Bikes nach diesem rasanten „Mannschaftszeitfahren“ dringend eine kleine Pause benötigen... So steigen wir in die
praktische und nahe gelegene Gondelbahn, die uns g’schwind bis ganz nach oben auf den Passo del Tonale bringt. Wir erkennen, wie
traumhaft es hier wohl im Winter zum Skifahren sein muss. Dabei sehen wir allerdings auch deutlich die negativen Seiten des Wintersports
auf den mit Liftanlagen überzogenen unteren Hängen der ansonsten sehr beeindruckenden und schönen Adamello-Presanella-Gruppe.
Auch wegen des auffrischenden Windes begnügen wir uns mit einigen schnell gemachten Erinnerungsfotos, und schon sind wir wieder auf dem Weg ‚down da hill’.
Auf dieser Südseite des Adamello ist es wild-romantisch und wir biegen auf einen Trail ein, der spannend und anspruchsvoll in viele Kehren
gelegt nach unten in das Val di Sole führt, wunderschöne Aussichten bietet und uns so richtig Freude bereitet. Den folgenden sehr flüssigen
Wald- und Wiesenweg, der meist oberhalb des Wildbaches Noce entlang führt, rauschen wir beinahe ungebremst entlang und geniessen
den Flow dieser (Renn-)Strecke bei angenehmen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein in vollen Zügen. Dabei durchqueren wir
einige hübsche Ortschaften, die sicher sämtlich eine kleine Pause wert wären, hätten wir nicht immer noch Spaß am Tempo machen. Wenn
man so wollte, könnte man diesen Abschnitt – oder auch den ganzen Tag – mit „Kick&Rush“ bezeichnen.
In Dimaro gönnen wir uns schließlich eine gemütliche Pizza-Pause, bevor es hinauf nach Madonna di Campiglio geht. Zunächst immer an
der Flanke des Brenta-Stocks mit wunderbaren Ausblicken auf die Felstürme dieses Massivs, führt der Weg am Rande eines schönen
Canyons in angenehmer Steigung und später anstrengender durch den Wald hinauf bis zu einer Wegschranke. Strategisch geschickt hat
sich dort ein Hotelier aus Madonna mit seinen Prospekten positioniert und bietet den vorbeiziehenden Bikern sein 4-Sterne Haus an. Bruno
, Roberto und ich erfahren, dass unsere Spitzengruppe hier gleich für uns Montagsradler reserviert und nebenbei auch noch für jeden eine Mass Freibier ausgehandelt hat. Bravissimo!
Kurz nach der Schranke reißt meine Kette, die wir jedoch nicht sofort reparieren, weil Roberto sicher ist, dass es nur noch 20hm bis zum
Pass sein können. Sagen wir, es waren 100hm und der Weg zieht sich schiebenderweise auch noch ganz schön in die Länge. Am großen
Liftzentrum warten Edi, Hans und Rudi auf uns, und wir können es gemeinsam endlich bergab nach Madonna zu unserer Fo(u)r-Stars Nobelunterkunft laufen lassen.
Das Hotel ist so, wie es Italiener im Winterurlaub vermutlich lieben: Ein wenig mondän und verkitscht-überladen, aber sehr ordentlich und
insgesamt äußerst angenehm. Weil hier – wie der Wirt uns sagt – im Sommer nur sehr wenig Bier konsumiert wird, kommt das süffige Nass
aus dem Zapfhahn der Bar nur widerwillig-schaumig heraus und wir brauchen viel Geduld, bis wir uns die Ankunfts-Radlermass gehörig
schmecken lassen können. Anschließend versorgen wir die Räder und reparieren z.B. gerissene Ketten und andere Kleinigkeiten.
Beim Essen geht es dann für unsere Verhältnisse eher ruhig und gesetzt zu. Ständig schleichen höchst aufmerksame, schwarz livrierte und
sehr ernst dreinschauende Kellnerinnen um uns herum. Die anwesenden italienischen Gäste gehören auch eher der ruhigeren Sorte an, und
so ist die Atmosphäre insgesamt nicht so recht geeignet für die sonst üblichen und manchmal ja auch recht derben und lauten
Montagsradler-Späßchen. Vermutlich kommt auch eine zufriedene Müdigkeit hinzu. So prosten wir uns mehrfach mit einem „Alles-richtig
-gemacht“ Lächeln zu und lassen den langen Tag heute ganz ruhig in der Bar ausklingen: Kick & Sleep...
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